Innovative Erfindung

Auf Herz und Nieren geprüft – das neue Sicherheitssystem «Rollator-Rest»

«Ich habe mich noch nie so sicher gefühlt» – ist eine der begeisterten Aussagen unserer Testpersonen. Vier Seniorinnen und ein Senior haben das Sicherheitssystem «Rollator-Rest» – eine Weltneuheit des Erfinders Pascal Lippmann – ausgiebig getestet. Dank der Kooperation der Basler Verkehrs-Betriebe und Pro Senectute beider Basel können Interessierte in den nächsten sechs Monaten auf der Buslinie 33 das einzigartige System ausprobieren.

Seit zwei Jahren nutzt Paula L. im Alltag einen Rollator. Damit kommt die Baslerin eigentlich ganz gut klar. Nur etwas hat sie sich bisher noch nicht getraut: Alleine mit dem Bus vom Rankhof aus in die Stadt zu fahren. Dabei muss sie immer ihr Mann Werner begleiten. Das Problem: Die Seniorin fühlt sich mit ihrer Gehhilfe im Bus nicht sicher, sie hat Angst zu stürzen.

Probleme beim Einsteigen
So wie Paula L. geht es vielen älteren Menschen, die einen Rollator nutzen. Stellvertretend für diese Bevölkerungsgruppe erzählen die fünf Testpersonen an diesem Nachmittag am BVB-Hauptsitz am Claragraben, auf welche Probleme sie bei der Nutzung des öffentlichen Verkehrs stossen. Schwierig, dabei sind sich alle einig, ist vor allem eine Fahrt im Bus, die wenn möglich vermieden wird. Eine Alternative ist dann nur das teure Taxi.

Senior mit Rollator steigt selbstständig in einen Bus ein.
Seniorin steigt selbstständig mit ihrem Rollator in einen Bus ein.

Die einen haben Mühe beim Einsteigen, weil zwischen Trottoir und Fahrzeug bei manchen Haltestellen eine viel zu grosse Lücke klafft, bei anderen wiederum ist das Trittbrett einfach zu hoch. Es gibt zwar immer andere Passagiere, die helfen, doch darauf zählen kann man nicht. Sobald man dann im Bus ist, geht die Suche nach einem Parkplatz für den Gehwagen, einer Haltestange oder einem Sitzplatz los. «Sich im vollen Bus, mit dem Rollator an der Hand, an einer Stange festzuhalten, ist schwierig», moniert Elisabeth Brechbühl, die deswegen auch schon gestürzt ist. Auch das zu ruppige oder schnelle Anfahren sowie unerwartete Bremsmanöver der Chauffeure und Chauffeusen sind für die gehbehinderten Passagiere heikel. Der eigentlich sportliche Reto Z. (62), der wegen einer Krankheit seit einigen Jahren auf die Gehhilfe angewiesen ist, drückt das Problem in der Begrüssungsrunde im besten Baseldytsch so aus: «Me g'heit drbi gärn uff d'Schnuure».

Engagement für mehr Sicherheit im ÖV
Genau diese ungelösten Probleme sind für Michael Harr der Grund, warum sich Pro Senectute beider Basel beim Test des «Rollator-Rest» engagiert. «Um die Sicherheit im öffentlichen Verkehr, gerade für gehbehinderte Personen und Senioren, zu verbessern, muss man manchmal etwas ausprobieren. Nur so ist Entwicklung möglich», erläutert er den Testpersonen die Kooperation mit den BVB. Und dafür unternimmt die gemeinnützige Stiftung einiges. So macht sie in ihren eigenen Medien gemäss dem Geschäftsleiter generell auf das Thema «Sicherheit von älteren Menschen im öffentlichen Verkehr» aufmerksam und setzt sich zudem aktiv für Verbesserungen ein. «Im Rahmen der Kooperation», so Harr, «haben wir zum Beispiel die geeigneten Testpersonen gesucht und die BVB bei der Durchführung des Praxistests unterstützt.»

Geschäftsleiter gibt in einem Bus ein Interview an SRF.
Kundin sitzt in einem Rollstuhl am Tisch eines Sitzungszimmers und unterhält sich mit Mitarbeiter.

Das Sicherheitssystem basiert auf der Idee von Pascal Lippmann, der früher bei den BVB gearbeitet hat. Er berät heute mit seiner Firma Pryo Consult GmbH Unternehmen und Betriebe im öffentlichen Verkehr. Die patentierte Idee des Erfinders – «eine Weltneuheit» – ist eigentlich simpel, aber genau deshalb wohl genial: Wie einen Sicherheitsgurt im Auto zieht man beim «Rollator-Rest» eine Matte aus einem Metallbehälter an der Wand. Diese Matte legt man über den mit den Bremsen fixierten Rollator – und schon hat man einen stabilen und bequemen Sitz.

Praxistest mit Tücken
Pascal Lippmann demonstriert die Funktionsweise des Sicherheitssystems an einem Modell im Sitzungszimmer. Hier machen sich alle Testpersonen, sozusagen in einer Trockenübung, mit dem «Rollator-Rest» vertraut, bevor es zum realen System im Bus Nummer 808 geht. Dieser fährt übrigens bis Ende Februar hauptsächlich auf der 33-Linie von der Schifflände nach Allschwil-Schönenbuch.

Im Praxistest zeigen sich dann einige Tücken des Systems. So ist Iris R. als einzige der Gruppe nicht zufrieden mit ihrer Fahrt im Bus und dem «Rollator-Rest». «Unpraktisch», lautet ihr Fazit. Sie hatte Mühe, die Matte aus dem Metallbehälter zu ziehen und über ihren schmalen Rollator zu legen. Deshalb sitzt sie während der Fahrt im Test-Bus eingezwängt auf ihrem Sitz. Für Pascal Lippmann sind diese Bemerkungen und Erfahrungen der Seniorin interessant. Er hat zwar während der Entwicklung des Systems über fünfzig Rollator-Modelle getestet, aber diesen Gehwagen kannte er noch nicht. Sein Fazit: «Wir müssen den Metallbehälter höher hängen und die Matte schmäler machen.»

Mitarbeiter hilft sitzenden Seniorin im Bus bei der Befestigung ihres Rollators.
Seniorin sitzt in einem Bus auf ihrem Rollator.

Super! Sicher und stabil! Bequem!
Die anderen Seniorinnen und Senioren hingegen sind vom neuen System begeistert, da sie mit ihren Gehwagen keine Probleme hatten. «Super!», kommentiert Paula Lauper ihre Fahrt, «ich habe mich noch nie so sicher gefühlt.» Und neckisch bemerkt sie zu ihrem Mann, der sie beim Test begleitet hat, mit einem Augenzwinkern: «Jetzt musst Du dann schon aufpassen, sobald ich wieder alleine mit dem Bus in die Stadt fahre.»

Mitarbeiter unterhält sich im Bus mit Seniorin, die auf ihrem Rollator sitzt.
Senior sitzt in einem Bus auf seinem Rollator.

Text: Christine Valentin
Fotos: Roland Schmid

Das Schweizer Fernsehen berichtete in der Sendung «Schweiz Aktuell» vom 15. September 2020 über den Praxistest: Link zum Beitrag